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Die Bedeutung der verzweigtkettigen Aminosäuren im Bodybuilding

 

 

Die Bedeutung der verzweigtkettigen Aminosäuren im Bodybuilding 

 

Von Wilfried Dubbels

 

Die verzweigtkettigen Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin können nicht vom menschlichen Organismus hergestellt werden. Sie zählen zu den essenziellen Aminosäuren und machen mehr als 50 % der über die Nahrung zugeführten Aminosäuren aus. Sie sind unentbehrlich für den Muskelaufbau und stimulieren die Insulinsekretion, ohne zu viel Insulin auszuschütten. Unter Stressbedingungen und unter intensiver Belastung werden sie überwiegend für energetische Zwecke genutzt. Um die Proteinsynthese zu steigern und den Proteinabbau zu verhindern, sind diese Aminosäuren von hervorragender Bedeutung. Vor allem Leucin stimuliert die Muskelproteinsynthese. Daher ist ein zusätzlicher Muskelaufbau ohne vermehrtes Aufkommen von Leucin unmöglich. Die verzweigtkettigen Aminosäuren (engl. Branched Chain Amino Acids, Kurzform  BCAA)  können unter intensiven Trainingsbedingungen als Kohlenhydratersatz fungieren und Insulin und IGF-1 freisetzen. In solchen Situationen kann sich der Bedarf an verzweigtkettigen Aminosäuren vervielfachen. Während des Trainings und nach dem Training steigern sie im Wechselspiel die Wachstumshormonausschüttung und sorgen so für ein anaboles und antikataboles Umfeld. Eine hohe Anflutung von verzweigtkettigen Aminosäuren setzt den Schalter für die Proteinsynthese in Gang, wobei Leucin eine besondere Bedeutung zukommt. Leucin moduliert die Proteinsynthese  als Signalprotein, indem es die Synthese über den mTor Signalweg  anregt und die Proteolyse (Muskelaufspaltung) verhindert.

 

Der ermittelte Grundbedarf an essenziellen Aminosäuren, der in fast allen Veröffentlichungen zum Thema als Maßstab gilt, wurde früher immer unter Normalbedingungen ermittelt, also weder bei körperlicher Belastung noch während einer Diät. Aber Körpertraining und Diäten erhöhen den Bedarf  laut aktueller Studien drastisch. Daher werden die Daten in der medizinischen Literatur immer noch falsch interpretiert. Die mittlere Basiszufuhr über die Nahrung von ca. 1-2 g je verzweigtkettige Aminosäure für einen 70 kg schweren Erwachsenen ist für einen Sportler viel zu niedrig angesetzt. Schon der Tagesbedarf eines Hobbysportlers liegt bei ca. 6 g Leucin, 2 g Isoleucin und 5 g Valin.

 

Der Körper benötigt die verzweigtkettigen Aminosäuren für den Aufbau fast aller Proteine und für einen reibungslosen Energiestoffwechsel. Die verzweigtkettigen Aminosäuren übernehmen im Kohlenhydratmangel die Funktion der Kohlenhydrate und sind maßgeblich am Transport von Stickstoff und Energie zwischen Muskulatur und Leber beteiligt. Sie werden aber auch bei intensivem Training zu Glukose abgebaut. Je weniger Glykogen im Muskel gespeichert ist, desto mehr BCAAs werden verheizt. Im Gegensatz zu den anderen Aminosäuren werden die BCCAs also nicht nur in der Leber, sondern überwiegend vor Ort im trainierten Muskel abgebaut und bilden so eine alternative Energiequelle zum Glykogen im Muskel. Bei ähnlichen Abbaureaktionen der drei Aminosäuren entstehen unterschiedliche Zwischenprodukte. Die abgebauten Aminosäuren können in den Stoffwechsel eingeschleust oder in der Leber wieder in eine Aminosäure umgewandelt werden. Für Leucin wurde ein weiterer einzigartiger Stoffwechselpfad nachgewiesen. Studien zeigten, dass 2 bis 10 % des zugeführten Leucins zu ß-Hydroxy-ß-methylbuttersäure abgebaut werden. Vor allem dieser Stoffwechselpfad zum Intermediärprodukt soll dafür verantwortlich sein, dass Leucin den Proteinabbau verhindert, während die Aminosäure  Leucin die Proteinsynthese direkt  über den mTor- Signalweg steigert. Deshalb hat sich die alleinige Gabe von HMBeta gegenüber Leucin in der Praxis auch nicht bewährt.

 

Eine aktuelle Studie bestätigte noch einmal, was schon lange vermutet wurde: verzweigtkettige Aminosäuren haben bei Kraftsportlern einen positiven Einfluss auf das Wechselspiel der Hormone. In dieser Studie wurden Kraftsportler in zwei Gruppen aufgeteilt. Die Verumgruppe, also die Gruppe, die ein Supplement verabreicht bekam, erhielt über einen Zeitraum von vier Wochen während des Trainings 1800 mg  Leucin, 750 mg  Isoleucin und 750 mg  Valin. Die Kontrollgruppe erhielt ein Placebo. 

Die Versuchsteilnehmer absolvierten ein hochintensives Ganzkörpertraining mit drei Sätzen und jeweils sechs bis acht Wiederholungen pro Übung. Bei der Supplementgruppe ist der Testosteronwert nach dem Training um 50 Prozent über den Ausgangswert angestiegen, während er sich in der Placebogruppe um mehr als 30 Prozent verringerte. Noch interessanter ist jedoch, dass der Cortisolspiegel bei den Männern, die die Aminosäuren nahmen um 1000 Prozent sank, während er in der Placebogruppe um 1000 Prozent im Vergleich zu den Ausgangswerten stieg. Die Werte der Serum-Creatinkinase, die als Marker für Muskelschäden gilt, stiegen nach dem Training in der Placebogruppe im Vergleich zur Supplementgruppe um 30 Prozent. Die Daten belegen, dass die verzweigtkettigen Aminosäuren nicht nur als Bausteine fungieren, sondern darüber hinaus Reglerfunktionen aufweisen und sowohl anabole Reaktionen verstärken als auch katabole Reaktionen auf das schwere Training abschwächen können.        

 

Diese Erkenntnisse sollten Bodybuilder, die intensiven Kraftsport betreiben und auf Diät sind, nutzen, da der Testosteronspiegel während einer Reduktionsdiät leicht abfällt, während der Körper vermehrt Cortisol freisetzt. 

 

Daher lautet meine Empfehlung an Bodybuilder, die intensiven Kraftsport betreiben und auf Diät sind: Nehmen Sie unmittelbar nach dem Training zusätzlich zum Molkenproteinisolat, das bereits einen hohen Gehalt an verzweigtkettigen Aminosäuren aufweist, verzweigtkettige Aminosäuren. Reduzieren Sie im Gegenzug den Kohlenhydratanteil, da die verzweigtkettigen Aminosäuren schon für eine moderate Insulinfreisetzung sorgen.  

 

Lösen Sie dazu eine Mischung von 3 g BCAA mit 30g Whey-Protein in Wasser auf. Mehr ist für diesen Zweck nicht erforderlich und kann sogar kontraproduktiv sein, wenn regelmäßig überdosiert wird.

 

Die BCAAs und das Whey-Protein setzen Insulin und IGF1 frei, während insbesondere Leucin anabole Signalwege über mTor aktiviert. Mehrere Studien haben jedoch gezeigt, dass dieser Effekt begrenzt ist. Insulin reagiert sehr empfindlich auf Überstimulation mit negativen Rückkopplungsmechanismen. Hieraus könnte sich bei entsprechender Veranlagung und regelmäßig hohem Verzehr von Whey- und BCAA-Supplementen eine Insulinresistenz entwickeln, die zu Störungen der Signalwege über mTor  führt. Insbesondere ein überaktiver PI3K-PKB/Akt-mTor Signalpfad wird u.a. für Entzündungen, Insulinresistenz, Diabetes, Neurodermitis und Krebs verantwortlich gemacht.

 

Denken Sie deshalb immer daran: Supplemente sind NahrungsERGÄNZUNGEN und keine vollständigen Lebensmittel! Übertreiben Sie es nicht! Weniger ist mehr.

 

 

Mehr darüber in meinem Buch "Alles was stark macht (oder auch nicht)"! 

 

Copyright Wilfried Dubbels

 

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