Üppige Mahlzeiten am späten Abend verstärken Dawn Phänomen und erhöhen den morgendlichen Blutzuckerwert
Von Wilfried Dubbels
Unter dem Dawn Phänomen versteht man einen Blutzuckeranstieg in der Morgendämmerung zwischen 3 und 6 Uhr. Während dieser Zeit sprechen die Körperzellen nicht so gut auf Insulin an. Jeder Mensch ist von einer derartigen kurzzeitigen Insulinresistenz betroffen, wenn auch in unterschiedlich ausgeprägter Form. Wenn die spätabendliche Mahlzeit kalorienreich war, kann der nächtliche Blutzuckeranstieg besonders ausgeprägt sein. Der schlimmste Ernährungsfehler, den man machen kann, ist jedoch, den Kühlschrank nachts oder in den frühen Morgenstunden zu plündern. Auch ist es keine gute Idee, den Wecker nachts zu stellen, um eine zusätzliche Mahlzeit einzunehmen, wie es früher von einigen Bodybuildern praktiziert wurde, um zusätzliche Masse aufzubauen. Diese Masse wandert dann überwiegend in die Fettdepots ab. Ein stoffwechselgesunder Mensch kann zwar die geringere Insulinwirkung nachts ausgleichen, aber Menschen mit latenter Insulinresistenz und Diabetiker haben diese Möglichkeit nicht. Der Blutzuckerspiegel befindet sich bei ihnen morgens vor dem Frühstück immer noch weit oberhalb von 110 mg/dl bzw. 6,1 mmol/l, während der Blutglukosewert von Stoffwechselgesunden bereits unter 100 mg/dl bzw. 5,5 mmol/l abgefallen ist.
Egal ob Sie sich nach der Drei-Mahlzeiten-Regel für Übergewichtige mit gestörter Glukosetoleranz oder nach der Fünf-Mahlzeiten-Regel für Stoffwechselgesunde ernähren, generell gilt: Je später der Tag bzw. der Abend, desto karger die Kost. Und genau dagegen verstoßen all diejenigen, die nicht mit ihrem Körpergewicht zufrieden sind: Morgens wird auf die Schnelle ein kleines Frühstück hinuntergeschlungen, tagsüber hält man sich mit Süßigkeiten, Softdrinks und Snacks über Wasser und abends gibt es ein Drei-Gänge-Menü mit süßem Nachtisch, da einem der Magen schon wer weiß wo hängt. Danach wird es sich vor dem Fernseher noch mit einem Cocktail und Pralinen gemütlich gemacht! Und das Ganze 365 Tage im Jahr. Da machen dann die besten Gene irgendwann mal schlapp. Der Stoffwechsel gerät in einen Teufelskreis. Die geringste Nahrungszufuhr behindert nicht nur den Fettabbau, sondern begünstigt darüber hinaus noch die Fettspeicherung. Die zugeführten Kalorien werden kaum noch verstoffwechselt und gehen gleich ins Fettgewebe über. Hinzu kommt, dass übergewichtige Menschen sich häufig auch zu wenig bewegen. Ihre stoffwechselaktive Muskelmasse ist daher nur gering ausgeprägt und nimmt mit zunehmendem Alter weiter ab. Daraus resultiert ein Bilanzproblem. All diese Stoffwechselstörungen werden unter dem Begriff „Metabolisches Syndrom“ zusammengefasst. Hinter diesem medizinischen Begriff verbirgt sich das verhängnisvolle Zusammenwirken von Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck und überhöhtem Blutfettspiegel. Im Vollbild des metabolischen Syndroms versucht der Organismus die verminderte Ansprechbarkeit des Gewebes auf Insulin durch eine Mehrproduktion des Hormons auszugleichen, die als erhöhte Insulinkonzentration im Blut (Hyperinsulinämie) messbar ist. Hieraus entwickelt sich nach jahrelanger Überbeanspruchung der Bauchspeicheldrüse der Typ II-Diabetes (morgendlicher Blutzuckerwert vor dem Frühstück über 110 mg/dl). Dieser Personenkreis muss akribisch auf die Kohlenhydratzufuhr achten und sollte morgens bevorzugt nur eine leichte protein- und fetthaltige Mahlzeit zu sich nehmen. Das gilt auch für Personen mit gestörter Glukosetoleranz und Verdacht auf Diabetes (morgendlicher Blutzuckerwert zwischen 100 und 110 mg/dl). Deshalb aber völlig auf das Frühstück zu verzichten, wie zur Zeit von einigen Anhängern des Intermittierenden Fastens empfohlen, ist in der Regel nicht vorteilhaft, kann jedoch in schwierigen Fällen die Bindungsstellen für Insulin sensibilisieren und Stoffwechselblockaden abbauen. Ein genereller Verzicht auf das Frühstück, also auch für stoffwechselgesunde Menschen, wie zur Zeit von Terence Kealey empfohlen, ist jedoch kontraproduktiv und fördert sogar Insulinresistenz, wie verschiedene Studien und die Praxis belegen. Für Leistungssportler, egal welcher Sportart, ist es noch weniger empfehlenswert.
Anpassung an den Biorhythmus senkt den morgendlichen Blutzuckerwert
Präventiv kann die Umstellung von schlechten Ernährungsgewohnheiten und Einhaltung fester Regeln Abhilfe schaffen und Stoffwechselentgleisungen verhindern, ohne hungern zu müssen. Allein die Verlegung eines kalorienreichen Abendessens auf das Frühstück kann selbst bei stark Übergewichtigen, bei denen sich noch kein metabolisches Syndrom manifestiert hat, den Gewichtsverlust extrem verbessern! Die Einsparung von Kohlenhydraten können Sie wie nachfolgend organisieren:
1.Essen Sie weniger Kohlenhydrate insgesamt, einfache hochglykämische Kohlenhydrate nur nach intensiver körperlicher Belastung.
2.Stärkehaltige Kohlenhydrate mit niedrig glykämischen Index nur bis zum späten Nachmittag.
3. Ballaststoffhaltige Kohlenhydrate mit niedrig glykämischer Last, die wenig oder kaum resorbiert werden, sind auch abends erlaubt. Doch Vorsicht: Rohkost und Salate abends nur in kleinen Portionen, da die Leber abends weniger Verdauungssäfte herstellt. Wenn ROHES Gemüse nicht richtig verdaut wird, fängt es an zu gären. Dabei entsteht Alkohol. Deshalb ist GEDÜNSTETES Gemüse vorzuziehen!
4.Mahlzeiten, die sehr wenig Kohlenhydrate oder kaum resorbierbare Kohlenhydrate enthalten, wie zum Beispiel Salate, werden mit gesunden Fettlieferanten wie Olivenöl, Avocado und Lachs ergänzt.
5. Konsequenter Verzicht auf leere Kohlenhydrate (Zucker, Süßigkeiten, zuckerhaltige Getränke etc.) Leere Kohlenhydrate legen den Stoffwechsel lahm, da sie nicht mit Vitalstoffen vergesellschaftet sind, die u.a. auch als Coenzyme Stoffwechselfunktionen anregen.
Einige Ernährungswissenschaftler halten die Mahlzeitenaufteilung mit reduzierter Nahrungsaufnahme am Abend immer noch für einen Mythos in der Antiadipositasbehandlung. Es ist jedoch Tatsache, dass bei Übergewichtigen eine üppige Mahlzeit am späten Abend durch Anstieg des Insulinspiegels die Freisetzung des Fett abbauenden Wachstumshormons während des Schlafs unterdrückt, was wiederum eine Kaskade von Wechselwirkungen auslöst, die sich im Laufe der Jahre nicht nur nachteilig auf die Körperkomposition (Verhältnis von Muskelmasse zu Fett), sondern auch auf die Schlafqualität und den Biorhythmus auswirken kann (Dawn-Phänomen). Bei gesunden Spätaufstehern wird sich das kaum auf die Körperkomposition und das Körpergewicht auswirken. Der Fettverbrennungsmodus wird dann lediglich um einige Stunden nach hinten verschoben, da die Freisetzung des Wachstumshormons ihren Höhepunkt erst in den frühen Morgenstunden erreicht und die korrespondierenden Hormone noch später dominieren. Frühaufsteher und Kurzschläfer sollten das jedoch berücksichtigen, da ein üppiges Frühstück mit vielen Kohlenhydraten bei ihnen dann die Fettverbrennung abschaltet, bevor sie vollständig abgeschlossen ist. Wer seine erste Mahlzeit aus zeitlichen Gründen sehr früh einnehmen muss, sollte nur ein leichtes Frühstück zu sich nehmen und ein zweites reichhaltiges Frühstück am Arbeitsplatz. Aber auf jeden Fall ist es besser, bei Gewichtsproblemen am späten Abend weniger zu essen und vor allen Dingen auf den „süßen“ Nachtisch zu verzichten. Andere Süßigkeiten und zuckerhaltige Getränke sind ebenfalls tabu. Steak und Ei, Geflügel und Fisch sowie mit Olivenöl zubereiteter Salat oder gedünstetes Gemüse sind nicht nur erlaubt, sondern ideal.
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