Braucht der Mensch überhaupt Kohlenhydrate?
Von Wilfried Dubbels
Kohlenhydrate sind nicht essenziell und könnten daher problemlos gegen Fette ausgetauscht werden. Fette sind gegen Kohlenhydrate jedoch nur bedingt austauschbar, da der Körper auf die essenziellen Fettsäuren angewiesen ist. Auf Proteine sollte überhaupt nicht verzichtet werden, da die einzelnen AS zusätzlich zu den Elementen Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff auch aus den Elementen Stickstoff und Schwefel (Methionin, Cystein) bestehen und lebensnotwendig sind.
Machen Kohlenhydrate wirklich dick und krank?
Ist es also ratsam, völlig auf Kohlenhydrate zu verzichten? Für den Anstieg von Übergewicht, Stoffwechselerkrankungen und altersassoziierten Erkrankungen wie Krebs, werden schließlich von vielen Wissenschaftlern hauptsächlich die Kohlenhydrate verantwortlich gemacht. Mit zunehmendem Alter und Inaktivität verschlechtert sich die Glucosetoleranz. Zucker freisetzende Lebensmittel wie Weissbrot, Kuchen, Süßigkeiten und Limonaden erhöhen den Blutzucker- und damit den Insulinspiegel. Beides fördert die Entstehung von Krebs. Krebszellen bevorzugen Zucker als Treibstoff, während die gesunde Zelle ihre Energie durch Verbrennung von Fett, Zucker und Eiweiß in den Mitochondrien gewinnt. Permanente Überzuckerung führt zu Stoffwechselanomalien und schaltet in Zellen, die bereits Krebsvorstufen gebildet haben, ein bestimmtes Gen an, das die Vergärung von Zucker zu Milchsäure begünstigt. Hierdurch wird das Krebswachstum aus einer Krebsvorstufe in eine Krebszelle begünstigt. Das Umschalten auf Milchsäuregärung macht die Krebszelle unempfindlich und aggressiv.
Darüber hinaus können im menschlichen Körper bei ständiger Überzuckerung durch Stoffwechselentgleisungen verzuckerte Proteine gebildet werden, die keine physiologische Aufgabe haben. Diese Advanced Glycation Endproducts (AGEs) beschleunigen Alterungsprozesse und beeinträchtigen die Durchblutung. Herz- und Gefäßkomplikationen sind u.a. die Folge.
…..kommt drauf an:
Je weniger man sich bewegt, desto ineffizienter werden die Kohlenhydrate metabolisiert und desto leichter wird der Körper überzuckert. Für Couch Potatoes, Büromenschen und selbst für Sportler, ist die Ernährungspyramide nach der DGE obsolet. Dennoch sollten Sportler, auch wenn sie auf Diät sind, nicht völlig auf Kohlenhydrate verzichten. Aber sie sollten bei der Wahl der Kohlenhydrate vorsichtiger sein und das Timing der Kohlenhydratzufuhr berücksichtigen. Nicht nur die Menge, sondern vor allen Dingen die Auswahl der Kohlenhydrate ist für eine gesunde Ernährung von Bedeutung. Die Basis bilden ballaststoffhaltige Kohlenhydrate, wie sie im Gemüse und Obst enthalten sind. Diese Nahrungsmittel versorgen uns bei relativ geringer Energiedichte auch reichlich mit Vitaminen, Mineralien und sekundären Pflanzeninhaltsstoffen. Daher sind sie unverzichtbar.
Ist was dran am Mahlzeitentiming für Kohlenhydrate?
Früher galt die Regel: Iss morgens wie ein König, mittags wie ein Edelmann und abends wie ein Bettler. Inzwischen wird zwar für Stoffwechselgesunde empfohlen, die Tagesration auf fünf kleinere Mahlzeiten statt der drei Hauptmahlzeiten umzustellen, um Insulinspitzen zu vermeiden und damit der Fettspeicherung entgegenzuwirken. Für Übergewichtige kann jedoch das altbewährte Drei-Mahlzeiten-Konzept bessere Erfolge bringen, da sich bei diesem Personenkreis bereits aufgrund ihres Übergewichtes Stoffwechselveränderungen eingestellt haben. Stark Übergewichtige haben permanent deutlich erhöhte Insulinspiegel. Das Insulin sitzt wie ein Schlüssel im Schloss vor den Fettdepots und verhindert deren Abbau. In dem Moment, wo Übergewichtige auch nur kleine Mengen Nahrung zu sich nehmen, steigt der Insulinspiegel sofort wieder an. Fettabbau findet jedoch nur bei niedrigen Insulinspiegeln statt. Denn nur bei niedrigen Insulinspiegeln wird das so genannte Somatotrope Hormon (Wachstumshormon) freigesetzt. Dieses Hormon leitet unter anderem die Einschmelzung körpereigener Fettdepots ein. Aus diesem Grund ist es für Übergewichtige sinnvoll, zwischen den Mahlzeiten relativ große Abstände, also mindestens 4-6 Stunden, einzuhalten. So werden niedrige Insulinspiegel erreicht und das Somatotrope Hormon kann ungehindert seine Wirkung entfalten, indem es die Fettdepots abbaut.
Unser Verdauungssystem unterliegt einem tageszeitlichen Rhythmus, der durch morgendliche Aktivität und abendliche Passivität gekennzeichnet ist. Die Leistungsfähigkeit des Organismus zeigt im Allgemeinen ein klares Maximum am Vormittag, das mittags sinkt, nachmittags ein zweites Mal ansteigt und abends deutlich abflacht. Die Mahlzeitenverteilung sollte deshalb bei Menschen mit Gewichtsproblemen, an diesen tageszeitlichen Rhythmus angepasst werden, damit die Nahrung effektiv in Energie umgesetzt werden kann. Für hart trainierende Sportler macht es keinen großen Unterschied, zu welcher Tageszeit sie welche und wie viele Kohlenhydrate konsumieren, da der Verbrennungsmotor von Sportlern, die Mitochondrien, aufgrund des Nachbrenneffekts rund um die Uhr läuft. Nach einem intensiven Training bleibt die Ansprechrate der Muskeln auf Insulin für mindestens 24 Stunden erhöht. Ausserdem haben Sportler eine grössere Glykogenspeicherkapazität und einen höheren Grundumsatz. Für sie ist eher die Nährstoffzufuhr unmittelbar nach dem Training von kardinaler Bedeutung. Wenn ein Sportler spät abends trainiert, sollte er selbst dann nach dem Training nicht auf Kohlenhydrate verzichten! Aber je weniger Bewegung man hat, und desto weniger man sich sportlich betätigt, desto akribischer sollte man sich am tageszeitlichen Rhythmus orientieren, was die Kohlenhydrataufnahme anbetrifft.
Am frühen Morgen sind die über Nacht entleerten Kohlenhydratspeicher (Glykogen) besonders aufnahmefähig und der Körper hat eine erniedrigte Temperatur. Um den Körper auf normale Stoffwechseltemperatur zu bringen, und um die über Nacht entleerten Glykogenspeicher in der Leber schnell wieder zu füllen, werden enorm viele Kalorien benötigt. Hier bieten sich die Kohlenhydrate als Zündstoff an, da sie die Energie schnell bereitstellen können. Wenn unser „Heizofen“ nicht am frühen Morgen auf optimale Temperatur gebracht wird, laufen alle Stoffwechselvorgänge langsamer ab. Während in der Nacht regenerative Prozesse und fettverbrennende Prozesse des Sparhormons Somatotropin dominieren, steigt im Verlauf des Morgens der Cortisolspiegel. Während dieser Zeit sind die Bindungsstellen für Insulin vorübergehend resistent. Somatotropin bewirkt eine Verschlechterung der Glucoseutilisation und setzt vermehrt Glucose aus den Glykogenspeichern sowie Fettsäuren aus körpereigenem Fett frei. Diesbezüglich verhält es sich antagonistisch zum Insulin (siehe auch später „Dawn Phänomen“). Somatotropin fördert aber auch die Eiweisssynthese, indem es Aminosäuren in die Zellen schleust. Die dafür benötigte Energie bezieht der Körper aus den mobilisierten Fettsäuren und der Glucose. Mit ansteigendem Cortisolspiegel werden im Verlaufe des Vormittags aber nicht nur Fette und Kohlenhydrate verbrannt, sondern vermehrt auch körpereigene Eiweisse, wenn nicht gegengesteuert wird. Deshalb ist ein gutes Frühstück so wichtig.
Kohlenhydrate zum Frühstück erhöhen nicht nur den Insulinspiegel, sondern regen auch Schilddrüsenfunktionen an, während im Kohlenhydratmangel weniger aktives T3 gebildet wird. Ein hohes Insulinaufkommen legt den Schalter von Katabolismus auf Anabolismus um. So wird die eiweisskatabole Wirkung des vermehrten Cortisolaufkommens am Morgen ausgebremst und im Verbund mit Testosteron, das morgens Spitzenwerte aufweist, anabole Prozesse eingeleitet. Es ist schon lange bekannt, dass Insulin morgens effizienter arbeitet als im Verlauf des späteren Tages. Da die Kohlenhydratzufuhr am Morgen beim gesunden Menschen niedrigere Blutzuckerspiegel hervorruft als im Verlauf des Tages (siehe auch Gluko-Probetrunk), können die eiweissanabole und die kohlenhydratspeichernde Wirkung des Insulins zusammen mit einem hohen Testosteronaufkommen optimal genutzt werden. Mahlzeiten zu timen, um mehr Kalorien zu Beginn des Tages zu konsumieren, hat eine kraftvolle Wirkung auf die Körperzusammensetzung. Lassen Sie sich nicht durch anderslautende Empfehlungen verunsichern. Dieses Konzept funktioniert selbst bei Übergewichtigen, wie neuere Studien bestätigt haben! Nur nachtaktive Menschen wie Schichtarbeiter, Discogänger und Nachtschwärmer sollten gegebenenfalls ihren Ernährungsplan völlig umkrempeln und an den Biorhythmus der nachtaktiven Maus anpassen. Hieraus aber ein allgemein gültiges Ernährungskonzept zu konstruieren, wäre gewagt. Jeder Mensch funktioniert anders. Es gibt keine Pauschalempfehlungen und maßgeschneiderte Empfehlungen für Diabetiker und insulinresistente Personen können nur anhand von Laborbefunden von einem erfahrenen Ernährungsmediziner gegeben werden!
Mehr dazu in meinem neuen Buch "Gesund, fit und schlank-ein Leben lang"!
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Wilfried Dubbels
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