Plädoyer für das Bodybuilding
Von Wilfried Dubbels
Eine gut entwickelte Muskulatur erhöht die Lebenserwartung laut einer Studie, die bereits im Jahr 2008 im „British Medical Journal“ veröffentlicht wurde. Trainierte Muskelmänner leben im Durchschnitt länger als unsportliche Geschlechtsgenossen. Übungen zur Kräftigung der Muskulatur verringern zudem das Krankheitsrisiko. Der Berufsverband Deutscher Internisten empfiehlt daher seit Jahren nicht nur Ausdauersport, sondern vor allen Dingen Kraftsport ins Fitnessprogramm aufzunehmen. Erfahrungsberichte von Diabetologen, Internisten und Sportmedizinern sowie neuere Studien bestätigen die gesundheitlichen Vorteile gezielten Muskeltrainings und eine höhere Lebenserwartung.
Kraftsport hat laut obiger Studie einen deutlichen Einfluss auf die Lebenserwartung. 8.800 Männer zwischen 20 und 80 Jahren wurden von einem internationalen Forscherteam in einer knapp 20 Jahre umfassenden Studie beobachtet und ihre Muskelkraft analysiert. Es wurde festgestellt, dass eine schwache Muskulatur die Sterblichkeit um bis zu 50 % erhöht. Höhere Muskelkraft schützte selbst übergewichtige Menschen aller Altersklassen vor tödlichen Herz-/Kreislauf- und Krebserkrankungen. Eine neuere Beobachtungsstudie konstatierte, dass insbesondere im höheren Alter die Lebenserwartung von der Körperkomposition und dem Muskelmasseindex abhängig ist. Ausschlaggebend ist nicht der BMI, sondern das Verhältnis von Taille zu Hüfte.
Mehr Muskelmasse stabilisiert nicht nur das Skelett, sondern hebt auch den Grundumsatz an und verbrennt mehr Zucker, was das Diabetesrisiko senkt. Ein
athletischer Körper verbraucht für die gleiche Bewegung mehr Kalorien als ein muskelschwacher Körper. Das hilft, dem Aufbau von Körperfett entgegenzuwirken; zusätzlich wird das Osteoporoserisiko gesenkt. Zu guter Letzt sorgt eine kräftige Muskulatur für mehr Beweglichkeit im Alter, denn häufig sind Muskeldefizite Ursache für Invalidität im Alter.
Schutz vor Osteoporose und Haltungsschäden
Bereits leichte sportliche Aktivitäten reichen aus, um die Gesundheit im Alter zu stärken. Schon ein Krafttraining mit moderatem, aber progressivem Widerstand stärkt Muskulatur und Knochen und kann vor Muskelschwund sowie Osteoporose schützen.
Ein kräftiges und elastisches Bewegungssystem ist der beste Schutz vor Knochenbrüchen bei einer bestehenden Osteoporose, so Prof. Dr. med. Gernulf Garbe. Muskeltraining unter professioneller Anleitung ist dabei wesentlich effektiver als Krankengymnastik, da die Wachstumsreize stärker sind und durch die Vielzahl von Übungen kein Gewöhnungseffekt eintritt. Hierbei können die Einrichtungen von Fitnesscentern, die über rehabilitationsgeschultes Personal verfügen, genutzt werden. Muskeltraining sollte einen führenden Platz in der Bewegungstherapie von Osteoporosepatienten einnehmen. Körperliches Training fördert die Mineralisierung des Knochens. Anhand von Studien mit trainierten Versuchsteilnehmern konnte festgestellt werden, dass die Knochenmasse einer Person günstig durch entsprechende Muskelmasse beeinflusst wird. Durch eine weitere Studie konnten die günstigen Auswirkungen auf den Knochenmineralgehalt alter Menschen einer geriatrischen Einrichtung belegt werden.
Muskeltraining wird in zunehmendem Maße als Freizeitsport betrieben. Auch für Menschen, die muskuläre Defizite und Haltungsschäden in Fitnesscentern zu kompensieren suchen, hat das Training präventive Bedeutung. Schäden an Sehnen, Bindegewebe und Gelenken können durch eine kräftige Muskulatur ausgeglichen werden. Eine ungleich entwickelte Muskulatur kann häufig schon bei Kindern festgestellt werden. Im Laufe des Alters verstärken sich die Dysbalancen durch einseitige, alltägliche oder berufliche Belastung und können schließlich in chronische Beschwerden münden, wenn nicht durch ein gut organisiertes Muskeltraining, das auch ein Stretchingprogramm enthält, gegengesteuert wird, berichtet Prof. Dr. med. Gernulf Garbe in dem Fachmagazin „Orthopädische Praxis“.
Bodybuilding setzt Myokine frei
Zur Zeit werde das endokrine Potenzial der Muskulatur, das über Zytokine und Myokine vermittelt wird, intensiv erforscht, berichtet Professor Christine Graf von der Sporthochschule Köln. Eine Schlüsselfunktion scheint dabei Interleukin-6 einzunehmen. Es beeinflusst nicht nur die Muskelhypertrophie, Myogenese und Fettoxidation in der Muskulatur, sondern es wirkt auch systemisch, indem es die Glukosefreisetzung in der Leber steigert, die TNF-alpha Produktion im Körper hemmt und darüber hinaus die Fettverbrennung fördert, indem es u.a. mit den Adipokinen des Bauchfetts kommuniziert. Bei körperlicher Inaktivität kommt es jedoch zur Anhäufung von Interleukin-6 und TNF-alpha in der Zelle, was letztendlich zur Freisetzung von Entzündungsmediatoren führt, die gesundheitliche Probleme verursachen.
Beim Training gegen einen Widerstand senden die Skelettmuskeln eine Vielzahl von Botenstoffen aus, die einen ungeahnten Einfluss auf unsere Gesundheit haben. Die verschiedenen Botenstoffe, die der Muskel bei Belastung aussendet, fungieren als Signalstoffe des Muskels und beeinflussen alle anderen Organe, indem sie Fett verbrennen, die Durchblutung der Gefäße verbessern, die Leber entlasten und das Gehirn vor Demenz schützen. Man fasst sie unter dem Begriff Myokine zusammen. Beim Training produziert der Muskel bis zu 400 verschiedene Substanzen. Sie sind Teil eines komplizierten Mechanismus, der in die Stoffwechselprozesse des menschlichen Körpers eingreift. Nur bei einigen dieser Myokine ist die Wirkungsweise bekannt.
So gibt es hormonähnliche Myokine, die die Leber zum Abbau der Glukosedepots anregen und damit die Bauchspeicheldrüse unterstützen. Andere Myokine fördern die Neubildung von Muskelzellen und Blutgefäßen und viele haben entzündungshemmende Eigenschaften und beugen Herz- und Kreislauferkrankungen vor. Für den Bodybuilder sind solche Myokine von besonderem Interesse, die die Freisetzung muskelaufbauender Hormone initiieren.
Bodybuilding optimiert das Zusammenspiel der Hormone
Durch Studien konnte belegt werden, dass regelmäßiges Bodybuilding die Ausschüttung erwünschter Hormone fördert. Die Ausschüttung der Hormone wird durch Myokine angestoßen und ist nicht nur förderlich für den Muskelaufbau, sondern auch für die Gesundheit. Eine erhöhte Wachstumshormonausschüttung verbessert, zusammen mit einer gesteigerten Freisetzung von weiteren Wachstumsfaktoren und Testosteron, die Muskelproteinsynthese und führt zu mehr Muskelkraft. Kurze, aber intensive Trainingseinheiten erhöhen den Testosteron- und Wachstumshormonspiegel sowie die Ansprechbarkeit der Insulinzellrezeptoren für Insulin.
Die anabole Wirkung des Wachstumshormons auf den Eiweißstoffwechsel wird bekanntlich nicht durch das Wachstumshormon selbst ausgelöst, sondern durch Bruchstücke davon, die sog. Wachstumsfaktoren, die hauptsächlich in der Leber und den Nieren, aber auch im Gewebe anderer Organe gebildet werden. Während des Trainings wird der Wachstumsfaktor IGF-1 auch lokal in der Muskulatur gebildet. Der insulinähnliche Wachstumsfaktor IGF-1 wird für die Muskelreparatur verwendet und zu einer zweiten Variante, den Mechano-Wachstumsfaktor (MGF) umgebaut, der vermutlich die größte anabole Wirkung hat. Er steuert die Aktivität der Muskelstammzellen und kann selbst absterbende und brachliegende Muskelstammzellen wieder reaktivieren! Ausgeglichene Wachstumshormonspiegel senken das Cholesterin im Blut, erhöhen den HDL-Wert (gutes Cholesterin) und setzen Fettsäuren für die Verbrennung frei, während niedrigere Spiegel dieses Hormons zu Muskelverlust und Fettzunahme führen.
Mit kurzen, aber intensiven Trainingseinheiten, die mit mindestens einer Grundübung je Muskelpartie ausgeführt werden, wird mehr Testosteron freigesetzt. Testosteron ist ein stark anabol wirkendes Hormon. Durch Testosteron werden die Muskelstammzellen, auch Satellitenzellen genannt, unmittelbar aktiviert, was die Voraussetzung für mehr Muskelwachstum ist. Die Satellitenzellen verfügen über Bindungsstellen, die mit Testosteron interagieren. Durch Testosteron wird wiederum die Anzahl der Bindungsstellen hoch reguliert und die lokale Freisetzung von IGF-1 ausgelöst. Es sensibilisiert die Muskelzellen für IGF-1. Wachstumshormon, IGF-1 und Testosteron verstärken in wechselseitiger Beziehung die muskelaufbauende Wirkung. Fettabbau und Muskelaufbau sorgen so auch für verbesserte Insulinsensibilität sowie Blutdruck- und Blutfettwertsenkung.
Bodybuilding erneuert Telomerproteine
Regelmäßiges Training sorgt auch dafür, dass vermehrt Telomerproteine nachgebildet werden. Täglich sterben im Körper Zellen ab und werden durch neue ersetzt. Nach jeder Zellteilung wird das Erbgut (die Chromosomen) ein wenig verkürzt. Ein Enzym, die Telomerase, verhindert eine zu schnelle Verkürzung, indem es die „Schutzkappen“ der Chromosomen, die Telomere, erneuert, und schützt damit das Erbgut.
Bodybuilding optimiert den Schaltplan für die Gene
Auch die Epigenetiker konnten inzwischen einen Einfluss von körperlicher Aktivität auf verschiedene Gene nachweisen. Durch Histonmodifikation am Chromatin zeigten sich nach dem Training Veränderungen, die sich auf die Faserzusammensetzung der Muskulatur und den Kohlenhydratstoffwechsel auswirkten. Der Wille kann Berge versetzen. Auch wenn man kein genetischer Glückspilz sein sollte, sollte man seinen Genen allein nicht die Schuld geben und sich damit der Eigenverantwortung für den Körper entziehen.
Denn durch Umstellung von Ernährungsgewohnheiten, einen gesunde Lebensstil und durch regelmäßiges Training kann man die „guten“ Gene für sich arbeiten lassen und die „schlechten“ Gene abschalten. Vermutlich kommt dem Kraftsport, insbesondere dem Bodybuilding, hierbei eine wesentlich größere Bedeutung zu als man bislang angenommen hatte.
Zusammenfassend gibt es allen Grund zu der Annahme, dass Bodybuilding nicht nur dazu dient, Muskeln aufzubauen, Fett zu verbrennen und das Skelettsystem zu stabilisieren, sondern auch, um gesundheitsfördernde Botenstoffe freizusetzen. Selbst mentale Funktionen bleiben mit Bodybuilding im Alter besser erhalten als mit Gehirnjogging, wie neuere Studien belegen. Immer wenn wir unsere Muskeln belasten, schalten wir mehrere Tausend Gene an - nicht auf einmal, sondern wie bei einem Orchester wird ein Gen durch ein anderes aktiviert und damit der „Schaltplan“ für die Gene optimiert“.
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