Von Wilfried Dubbels
Beim gesunden Erwachsenen wird Arginin in der Niere oder in anderen Organen und Blutzellen über den Harnstoffzyklus aus Citrullin gebildet. Ornithin, eine weitere Aminosäure, wird im Harnstoffzyklus aus Arginin gebildet. Führt man dem Körper Ornithin als Supplement zu, steigt der Argininspiegel. Bei jungen Erwachsenen kann der Argininbedarf gewöhnlich über die Nahrung oder durch die körpereigene Synthese aus Glutamin gedeckt werden. Es ist reichlich in Nüssen, Fleisch, Fisch und Getreide enthalten. Aber während der Wachstumsphase und bei bestimmten Erkrankungen ist der Bedarf nur bedingt gedeckt. Daher zählt diese Aminosäure zu den semiessenziellen Aminosäuren.
Arginin ist neben Glutamin die wohl wichtigste Aminosäure, die an der Freisetzung von Wachstumshormon beteiligt ist. Interessanterweise fördern Schlaf und intensives Körpertraining bereits allein die Sekretion dieses für den Muskelaufbau so wichtigen Hormons. Im Ruhezustand sowie während des Schlafes wird durch Verabreichung von Arginin vermehrt Wachstumshormon freigesetzt, aber kurz vor dem Training genommen, unterdrückt Arginin paradoxer Weise die Freisetzung.
Die Manipulation der Wachstumshormonfreisetzung wird durch Supplementierung mit Arginin sowie seinem Vorläufer Citrullin erleichtert. Es konnte nachgewiesen werden, dass der Körper während der Wachstumsschübe einen erhöhten Argininbedarf hat. Auch Diäten, Krankheit und Bluthochdruck erhöhen den Bedarf dieser Aminosäure, da unter diesen Bedingungen vermehrt Arginin abgebaut wird. Zusätzlich verabreichtes Arginin kann das Defizit ausgleichen und dadurch die Bildung von Wachstumshormon fördern. Der Körper ist dann nicht gezwungen, im „Notfallmodus“ zu laufen und auf die körpereigene Synthese von Arginin aus Glutamin zurückzugreifen. Diese Stoffwechselsituation würde den Muskelabbau einleiten. Daher ist Arginin für Bodybuilder, die mehr Muskelmasse aufbauen möchten, und das möchte sicherlich jeder Bodybuilder, besonders wichtig.
Arginin stimuliert in hohen Dosierungen nicht nur die Freisetzung von Wachstumshormon, sondern auch von Insulin, Prolaktin und Glucagon und setzt verstärkt Noradrenalin aus den Nebennieren frei. Es regt auf diese Weise das Muskelwachstum an und trägt über seine Beteiligung an der Proteinsynthese auch zur besseren Wundheilung bei Verletzungen und zur Kollagensynthese bei. Eine straffe Haut und jugendliches Aussehen bleiben länger erhalten.
Darüber hinaus unterstützen Arginin und sein Abbauprodukt Ornithin die Leberfunktion insbesondere bei der Entgiftung von Metaboliten wie Ammoniak, die bei hoher körperlicher Belastung vermehrt anfallen. Es befreit so den Körper von überschüssigem Stickstoff, der danach mit dem Urin ausgeschieden wird. Hierdurch wird die Regeneration nach intensivem Training beschleunigt.
Arginin ist als Stickstoffmonoxidbildner nicht nur für Menschen mit Bluthochdruck und Durchblutungsstörung von Bedeutung. Auch die Pumpleistung des Herzens wird durch Arginin bzw. NO verbessert. Der vermehrte Blutfluss versorgt die Muskeln mit mehr Sauerstoff und Nährstoffen. Stickstoffmonoxid sensibilisiert die Insulinzellrezeptoren. Dadurch wird leichter Glykogen eingelagert. Dieser gasförmige Botenstoff ist die wirkungsstärkste gefäßerweiternde Substanz und verursacht den ersehnten Pump, wodurch den Muskelzellen der Befehl zum Wachstum übermittelt wird. Selbst die kleinsten Gefäße werden erweitert und die Muskelzellen leben unter dem Einfluss des Stickstoffmonoxids regelrecht auf.
Stickstoffmonoxid ist ein wichtiger Botenstoff, der auf Grund seiner besonderen chemischen Eigenschaften die Zellmembranen schnell durchdringen kann. Auf diese Weise können auch Mikroorganismen und Tumorzellen rasch unschädlich gemacht werden. Arginin ist daher in doppelter Hinsicht auch für das Immunsystem von Bedeutung. Zum einen kann es direkt die Thymusdrüse zur Bildung von Abwehrzellen anregen und zum anderen kann es durch Abspaltung von NO unerwünschte Mikroorganismen abtöten. Ein gesundes Immunsystem ist wiederum Voraussetzung für intensives Training.
Durch Kombination von Arginin mit Folsäure, Vitamin B6 und Vitamin B12 wird die Abspaltung von NO beschleunigt. Antioxidanzien verhindern eine zu rasche Inaktivierung von Stickstoffmonoxid. Die meisten auf dem deutschen Supplementmarkt befindlichen NO-Booster enthalten diese Zusätze bereits. Einige Produkte enthalten darüber hinaus Citrullin, Ornithin sowie Beta-Alanin und Pycnogenol.
Citrullin bildet Arginin nach und Ornithin erhöht den Argininspiegel, während Beta-Alanin und Pycnogenol die Synthasen für die Stickstoffmonoxidsynthese bereitstellen. Durch Veresterung von Arginin mit Alpha-Ketoglutarsäure (Arginin-Alpha-Ketoglutarat) kann die Verfügbarkeit von Arginin für den Körper noch etwas verbessert werden. In der Praxis hat sich Arginin allein jedoch nicht so gut bewährt wie die Kombination mit Citrullin. Die Supplementierung mit Citrullin erzeugt einen Argininspiegel im Blut, der länger aufrechterhalten wird als die Supplementierung mit Arginin allein!
Die Wirkungen des Arginins sind wissenschaftlich unumstritten. Arginin wird in Apotheken als durchblutungsfördendes und blutdrucksenkendes Supplement angeboten (z.B. Telcor ret., Argi-Plus etc.). Insbesondere im Alter bildet der Körper häufig aufgrund eines Argininmangels zu wenig Stickstoffmonoxid (NO). Stattdessen werden vermehrt Superoxidanionradikale gebildet. NO entgiftet als Radikalfänger diese reaktive Vorstufe von Peroxynitrit und Wasserstoffperoxid, die oxidativen Stress erzeugen würden. Da sich die meisten Bodybuilder aber bereits mit einem Überschuss an Eiweiss, und damit auch an Arginin bzw. Argininbildnern, ernähren, wird sich die zusätzliche Einnahme von Argininsupplementen bei ihnen nur marginal auswirken. Denn mehr Arginin bringt keine weiteren Vorteile. Der größte Teil des Arginins wird dann in Harnstoff umgewandelt. Argininsupplemente sind daher für Bodybuilder, die sich eiweissreich ernähren, verzichtbar!
Zusammenfassung für Arginin
1. Arginin ist ein Vorläufer von Stickstoffmonoxid (NO) und spielt eine wichtige Rolle bei der Freisetzung von muskelaufbauenden Hormonen.
2. Für Erwachsene ist Arginin je nach Belastung und Ernährungsgewohnheit nur bedingt essenziell (semiessenziell). Menschen mit Insulinresistenz profitieren von Arginin vermutlich am meisten.
3. Arginin stärkt das Immunsystem, indem es die Aktivität und Anzahl von Abwehrzellen erhöht, was mit zunehmendem Alter an Bedeutung gewinnt, da die Abwehr im Alter geschwächt ist.
4. Die Supplementierung mit Arginin empfiehlt sich bei altersbedingtem Muskelabbau und krankeitsbedingten katabolen Prozessen sowie Durchblutungsstörungen und Bluthochdruck.
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